HOME | DD

EINsamer-wANDERER — In der Hoelle - Gut

Published: 2010-12-17 08:26:45 +0000 UTC; Views: 2151; Favourites: 1; Downloads: 2
Redirect to original
Description Obwohl er wusste, dass er tot war, schlug er die Augen auf. Er war im Jenseits. Im freien Fall. Und um ihn herum schrien Menschen, die genau wie er fielen. Sie standen in Flammen, so schnell flogen sie. Der König sah das feste Gestein einer Klippe. Ungeschickt krachte er rein. Als er sich wieder erhob, betrachtete er sich seine Umgebung genauer an. Wie er es sich schon gedacht hatte, war er in der Hölle gelandet. Ergebend ließ er die Schultern sinken. Er hatte es verdient die Ewigkeit hier zu verbringen. Der Platz seiner Geliebten war im Himmel. Seiner in der Hölle. Recht musste recht bleiben. Doch was nun? Sollten nicht irgendwelche Kreaturen kommen, um ihn zu quälen? Aber das würde wahrscheinlich schon früh genug eintreten. So marschierte der König los. In einer Welt, die er nicht kannte. Ohne Ziel oder Hoffnung. Die Trennung seiner Geliebten war ohnehin schon unerträglich. Er sah sich diese trostlose Welt an. Aus dem roten Sand ragten die Spitzen großer Gebäude aus Stahl und Glas hervor. Blitze zuckten über den brennenden Himmel. Er sah, wie ausgemergelte Menschen von Dämonen gehetzt und getötet wurden. Aber die Menschen waren bereits tot und standen wieder auf. Die Dämonen kamen wieder und töteten die Menschen erneut qualvoll. Dies alles war ein ewiger Teufelskreislauf, der bis zum Ende der Zeit anhalten würde. Er erkannte die Verdammten als die Geister wieder, die seine Geliebte zu ihren Lebzeiten gerettet hatte. Mit welchem Recht hatten sie das verdient? Welch ein Gott und Vater stürzte seine eigenen Kinder von einer Welt des Schmerzes und des Leids in die andere? Wieder bemühte sich der König diesen armen Kreaturen zu helfen. Was blieb ihm anderes übrig? Wie konnte er das Leid ertragen, ohne selbst einzugreifen? Die Antwort war klar und deutlich, gar nicht. So stieß er unter die Dämonen, wie ein höllischer Engel und tötete sie eiskalt. Als der Letzte von ihnen in einer Lache seines eigenen Blutes sein Leben aushauchte, starb auch etwas im König. Sein Durst nach Blut wurde weniger. Die Bestie, die ihn seit seiner Verwandlung ein treuer Begleiter gewesen war, begann zu sterben. Obwohl sie zur Unsterblichkeit verdammt war, starb sie. Wie war dies überhaupt möglich? Die Verdammten flohen vor dem König. Sie schienen seine Absichten falsch verstanden zu haben. Wehmütig sah er ihnen hinterher. Und gleichsam sah sein Auge neues Leid und neue Quäler. Was konnte ein Einzelner hier schon ausrichten? Wie sollte ein einfacher Vampir, wie er, hier etwas bewerkstelligen können? Gar nicht. Diese erdrückende Last machte ihm das Herz schwer. Zu seinen Füßen lag ein Verdammter in Gestalt eines Knaben. Zitternd und ängstlich schaute er zum König hinauf. Er schien zu leben, obwohl ihm seine Gedärme aus dem Magen quollen. Wie hätte er auch sterben können. Er war ja bereits tot. Zärtlich streichelte der König ihm durchs Haar. Er sah in die Seele des Jungen und erblickte seine Sünden. Das Nagen am Hungertuch hatte ihn zum Stehlen von bewogen. Aber trotz seines Essens, das er stahl, war er am Hungertod eines harten Winters gestorben. Mit Entsetzen spürte der König die Qualen in den letzten Minuten seines Todes. Dies alles erfüllte ihm mit Schmerz. Wenn es in seiner Macht gestanden hätte, wäre der Junge von ihm in den Himmel geschickt worden. Und wie durch ein Wunder, durchbrach ein helles Licht die Flammen des Himmels. Es schien auf den Jungen und zog ihn nach oben. Weit weg von dieser Hölle. „Gütiger Vater.“, sagte er, als seine feuchten Augen das Paradies erblickten. Mit einem freudigen Lächeln, das keine Reißzähne zeigte, sah der König dem Jungen hinterher. Eine gepanzerte Hand stieß aus dem Sand empor. Behebe grub sich ein Ritter aus dem Erdreich. Sein Panzer war gerissen und zerborsten. Auf seinem demolierten Schild war ein Wappen mit einem Kreuz darauf. Ein rostiges Schwert steckte in der zerkratzten Scheide. Müde und doch voller Hoffnung sah er den König an. „Du hast die Macht, andere zu erlösen.“ Verwirrt sah der König den Krieger an. Woher hätte er diese Macht haben sollen? Dann fiel ihm wieder der goldene Kelch mit den Namen der vier Erzengel und des Herrn ein. Konnte er dadurch zu solch einer Macht gekommen sein? Wieso nicht. Er hatte schon viele merkwürdige Dinge in seinem Leben gesehen und gehört. Aber was sollte er nun mit dieser Macht anstellen? Sollte er all diejenigen, die er für würdig hielt erlösen? Aber wer war er, dass er darüber entschied? „Du siehst verwirrt aus. Soll ich dich auf den rechten Pfad führen?“, fragte der Ritter. Nickend stimmte der König zu. „Mein Name ist Richard. Ich war einst Kreuzritter und habe im Namen des Herrn schreckliche Dinge getan. Heute bereue ich meine Taten aus tiefster Seele. Wenn ich dich begleiten und wenigstens einen der hier verdammten helfen könnte, würde es mir viel besser gehen. Dann hätte ich das Gefühl etwas bewirkt zu haben“ Und so führte Richard den König durch diese Welt, die für ihn so fremdartig war. Sie erlösten die Verdammten von ihren immerwährenden Qualen. Ohne Dank zu verlangen. Schließlich kamen sie in einem Sandsturm. Die wütend peitschenden Winde fegten das Fleisch von den Knochen der Krieger. Doch plötzlich flaute der Wind ab. Und aus dem Sand formte sich ein Verdammter heraus, der dem König seltsam bekannt vorkam. Aber er hatte sich verändert. Sein Körper bestand aus dem blutroten Sand, statt aus Fleisch und Blut. „So sieht man sich wieder.“, sagte Fletscher. Der Sand um den König schloss sich zu einem Käfig. Richard und er waren nun Gefangene. Egal wie sehr die Beiden auch kämpften, gegen den Sand hatten sie keine Chance. Böse lächelnd kam der Sandfletscher auf die beiden zu. „Wer hätte sich gedacht, dass der Spieß so schnell umgedreht wird. Jetzt bin ich der Kerl, der im Schatten lauert. Und du bist derjenige der nichtsahnend gegen die Wand pinkelt. Wusstest du, dass die Zeit hier viel langsamer verläuft? Ich warte hier schon seit Jahrhunderten auf dich. Und endlich kann ich meine Rache voll auskosten.“ Richard schaute verwundert zum König rüber. Der verzog keine Miene. Seine Rache war damals wichtig gewesen. Jetzt kam es ihm vor, als lägen Ewigkeiten dazwischen, dabei war es doch nur ein halber Tag. Eine Träne rann ihm die Wange hinunter. Es tat ihm so unendlich leid. Er allein hatte ihn hinterrücks getötet. Er allein hatte ihn seines Lebens beraubt. Und mit welchem Recht? Nur weil er unbedingt Rache üben musste. War es all das wert gewesen? Der Grund für seine Verdammnis war sein unstillbarer Durst nach Rache gewesen. Das Loch das der Tod seiner Geliebten verursacht hatte und der damit verbundene Schmerz hatten ihn wieder zu dem werden lassen, was er einst war. Langsam streckte er die Hand aus dem Käfig. Zitternd näherten sich seine Finger dem Herzen von Fletscher. Mit dem Gedanken: Gehe in das Paradies., erlöste er den armen Menschen. Seine Seele löste sich vom sandigen Körper, der sich auflöste. Der Käfig zerrann wieder und verschmolz mit der Landschaft. In Licht getaucht flog die Seele in den Himmel. Weg von diesem schrecklichen Ort. Richard ging zu der Stelle, an der der Sandfletscher noch eben aus dem Boden geragt hatte. Er wischte den Sand beiseite und fand ein kleines Stückchen Holz, welches er in die Luft hob. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er es sich genauer an. „Ein Splitter des Holzkreuzes, an dem Christi starb. Mit diesem Relikt können wir noch mehr erlösen.“ Er schaute zum König. „Oder dich. Du bist zu gut für die Hölle. Lass mich …“ Schnell packte der König Richards Handgelenk. Mit schütteldem Haupt gab er dem Kreuzritter zu verstehen, dass sein Platz hier war. Er hatte sich schon längst damit abgefunden. Wiederstrebend ließ Richard sich davon überzeugen und die beiden setzten ihre Reise fort. Niemand bemerkte den tierischen Schatten, der den beiden unauffällig in großer Entfernung folgte.
Bei einem See aus Teer machten die beiden Rast. „Du sprichst wohl nicht viel.“ Der König antwortete auf seine eigene Art. Er schwieg ganz einfach. Seine Gedanken umkreisten Fletscher. Er war in der Hölle gelandet. War der Rest der Vampirjäger dann auch hier? Wie würden sie sich verändert haben? Was würde er tun wenn er ihnen gegenüberstand. Würde er sie ebenfalls erlösen? Oder würde er sie in die immerwährende Verdammnis schicken. Melancholisch sah er sich um. Was für ein trostloser Ort das doch war. Der Wind pfiff ihm um die Ohren und trug die Schmerzensschreie der Verdammten zu. Was für ein Gott konnte so einen Ort zulassen. Niemand, nicht einmal die schlimmsten Verbrecher, sollten an so einem Ort gefangen sein. Der Teer begann in der Mitte des Sees zu blubbern. Die Bewegungen im Teer ließen auf etwas Großes schließen, das sich dicht unterhalb der Oberfläche befand und sich ihnen näherte. Was konnte es nur sein? Wieder ein Dämon? Aus den schwarzen Tiefen des Teers entstieg ein junger Asiate mit verbranntem Gesicht. „So sieht man sich wieder“, sagte der Dhampir. „Ich wollte mich noch für das hier“, er fuchtelte mit der Hand über sein Gesicht. „bedanken“ „Kennst du den etwa auch?“, fragte der Kreuzritter. Der König nickte bestätigend. Von hinten sprang eine gewaltige Wölfin, mit riesigen Krallen, gefletschten Zähnen und einem wütenden Brüllen, auf dem König zu. Ruhig schaute der Vampir in die Augen der Bestie. Im letzten Moment machte er einen Schritt zur Seite, damit die Wölfin im Staub landete. Zwei ehemalige Gegner auf einmal. Wenn das nichts war. Flora stürzte sich erneut auf den König. Schützend warf sich Richard dagegen. „Ich kümmere mich schon um diese Bestie.“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. Der König nickte ihm zustimmend zu. Alleine hätte er keine Chance. Zu zweit hatten sie eine Chance. Aber die Ablenkung hatte der Dhampir schonungslos ausgenutzt. Wäre der König auch nur ein klein wenig langsamer gewesen, hätte man ihm das Herz herausgerissen und er läge jetzt in einer Lache seines eigenen Blutes. Stattdessen aber drehte er seinen Körper zur Seite, lehnte sich nach hinten und trat seinem Gegner die Beine weg. Mit rudernden Armen fiel der Mischling. Im Flug schlug der König den Feind zurück in den kochenden Teer. Aber das schien ihn nichts auszumachen. Stattdessen tauchte der Dhampir in die schwarzen Untiefen hinab und sprang wie ein Geschoss aus dem Teer. Schützend hielt der König sich seinen Arm vor das Gesicht. Heiß spritzten Teertropfen auf seinem Körper. Die Chance nutzte sein Gegner für einen Abwärtshieb. Mit einem Sprung nach hinten, entging der König nur knapp dem Tod. Seine Hände gruben sich in den Sand und gaben ihm halt. Jetzt konnte er seine Füße benutzen. Ein Tritt trennte dem Dhampir Ober- und Unterkörper voneinander. Beide Teile bewegten sich noch. Der Dhampir schien vom Tode noch weit entfernt zu sein. „Ja, da staunst du. Die Mutter hat uns große Macht gegeben. Nicht einmal du, kannst gegen sie bestehen.“ Die Mutter? Sie war hier? Er streckte die Hand nach dem Mischling aus. „Du glaubst wohl, ich rede. Aber da hast du dich falsch Geschnitten. Keine Folter der Welt holt etwas aus mir heraus.“ Er war besiegt, auch wenn er es nicht zugab. Niemand, nicht mal seine schlimmsten Feinde hatten es verdient in dieser Welt zu leben, aber es gab andere Orte- bessere Orte. Die Hand war kurz davor sein Gesicht zu berühren, als das Licht zwischen die Handflächen stieß. Der Dhampir versuchte sich aus dem Griff zu winden und dem Licht zu wiederstehen. Aber das Licht war stärker. Mit einem lauten Knall explodierte der Halbvampir in tausend kleine Lichtstücke. Er war erlöst, da er sich aber dagegen gewehrt hatte, war die Erlösung so brutal ausgefallen. Er schaute zu Richard. Der Kreuzritter lieferte sich mit der Bestie einen erbitterten Kampf. Beide hatten bereits schlimme Wunden davongetragen. Der König musste ihm helfen, sonst würde er womöglich getötet werden. Leise schlich er sich von hinten an Flora ran. Schnell packte er sie an der Rute, zog sie nach hinten und drückte seine Hand auf ihren Rücken. Das Licht erlöste sie, aber auch sie wehrte sich heftig dagegen. Ihr Fell färbte sich schneeweiß. Die Augen erblindeten von dem Licht. Bis auch sie in tausend Lichtstücke zerfiel. Erleichtert atmeten die beiden Krieger auf. Wieder eine Herausforderung bestanden. Die Haare des Königs hatten sich inzwischen in wallendes Gold verwandelt. Seine Krallen waren normalen Fingernägeln gewichen. Plötzlich durchzuckte ein starkes Beben diese unwirkliche Welt. Es wurde stärker und hörte innerhalb eines Blinzelns wieder auf. „Wir sollten darauf achten, wenn wir erlösen. Dieser Boden ist für die Sünder genauso heilig, wie der Himmel für die Heiligen. Es gibt Momente in der Geschichte, die so stark- so gewaltig- waren, dass die Hölle noch heute darunter leidet.“ Der König fand dies sehr interessant. Dieser Boden war also heilig. Sowas hätte er sich nie von der Hölle gedacht. Und was war mit der Mutter? Wieso wollte sie ihn töten? Sie war immer auf seiner Seite gewesen, warum nun nicht mehr? Wieso hatte sie sich mit seinen Feinden verbündet? Was steckte dahinter? „Ob er die Vampirmutter gemeint hat, die in dem Felsenlabyrinth zwei Stunden Fußmarsch östlich von hier, ihr Lager hat?“ Gedankenversunken starrte der König nach Osten. „Du willst da wirklich hin. Bist du dir da sicher? Nicht mal der Höllenfürst Mammon traut sich dort mit seinen Schergen hin.“ Statt einer Antwort, lief der König los. Richard folgte ihm mit einigem Wiederstreben. „Du bist verrückt, aber ich gehe mit dir. Was sollte ich sonst tun? In den Sand kann ich mich auch später wieder verkriechen.“, meinte er.
Das Felsenlabyrinth hatte seinen Namen nicht zu unrecht. Es war wie ein ausgetrocknetes Flussbett. Unzählige Risse und Spalten zogen sich durch das Gestein. Manche klein und zart, wie Fäden. Andere groß und mächtig, wie Schlosstore. Schon nach kurzem hatten die Beiden jeglichen Orientierungssinn verloren. „Dieser Ort gefällt mir gar nicht. Er ist perfekt für einen Hinterhalt geeignet.“ Richard hatte schon recht. Dieser Ort war gefährlich. „Endlich. Und ich dachte, du kommst gar nicht. Entschuldige das miserable Begrüßungskomitee.“ Es war der asiatische Vampir. Er trug eine seltsame asiatische Tracht. Ein Samuraischwert baumelte an seiner Seite. Lässig sprang er von der Klippe in die Schlucht. „Auf diesen Moment warte ich ein ganzes Leben lang.“ Sein Schwert stand hocherhoben, bereit seinem Feind in zwei Teile zu spalten. Der König machte einen Satz nach hinten. Er wich den Schlägen seines Gegners immer in letzter Sekunde aus. Plötzlich beendete der Asiate seine Angriffe. Er steckte sein Schwert zischend in die Scheide und warf es von sich. „Das dauert mir zu lange.“ Sein Körper zog und streckte sich. Er wurde schuppig und glich dem einer Schlange. Ihm wuchs ein Geweih aus dem Kopf. Jede einzelne seiner Schuppen hatte die Form einer sich schlängelnden, glitzernden Schlange. Geschickt wandte er sich aus seiner Kleidung, wie ein Reptil. Aus dem Asiaten war ein Drache des Ostens geworden. Seine Schnurrhaare waren wütend zischende Schlangen, die im Takt einer unsichtbaren Melodie mitschwangen. Ein wütendes Gebrüll ließ die ganze Schlucht erzittern. Gefräßig stürzte er sich auf dem König. Wieder wich er ihm im letzten Moment aus. Richard versuchte das Untier mit seinem Schwert zu bekämpfen, doch die Schuppen waren härter als Stahl. Nein, sie mussten diesem Monstrum anders beikommen. Als der Drache seinen nächsten Angriff startete, wartete der König ruhig ab und ließ sich fressen. Genüsslich kaute der Drache seine Mahlzeit. Plötzlich riss er den Kopf beiseite. Ein unglaublich helles Licht brannte Löcher in seine Backe. Und wieder ruckte der Kopf, diesmal in die andere Richtung. Das Blut lief sein Gesicht hinab. Schreiend riss es den Kopf nach oben. Das Licht brannte seine Schädeldecke weg. Der König sprang aus einer Explosion aus Blut, Knochen und Hirn. Angeekelt wedelte er mit den Händen, um die klebrigen Flüssigkeiten von seinen Händen zu bekommen. Aber der Gegner war noch lange nicht besiegt. Todesverachtend bäumte er sich ein letztes Mal auf. Der König sandte ihm einen Ball aus purem Licht zu. Splitternd brach der Panzer der übergroßen Echse. Der Rest des Körpers konnte der Macht eines zweiten Lichtballs nicht wiederstehen. „Wie viele deiner Freunde haben wir noch zu erwarten?“ Ahnungslos zuckte der König mit den Schultern. Seine Augen hatten sich himmelblau gefärbt. Er wurde immer menschlicher, oder doch nicht? Wurde er vielleicht ein Engel?
Sie zogen weiter durch die Schlucht. Wie lange sie irrten wussten sie nicht. Egal wo man sich in dieser surrealen Welt befand, man wusste nie wie spät es war oder wie viel Zeit verging. Am Ende aber, standen sie vor einer Klippe. Und an dieser Klippe stand ein Thron. Geformt aus Leibern lebender Menschen und darauf saß eine Frau. Die Frau schien afrikanischer Herkunft zu sein. Ihre anmutigen Gesichtszüge und ihre Haut, die wie dunkle Schokolade war, machten aus ihr eine unvergleichliche Schönheit. Sie schaute die beiden Reisenden lächelnd an. Ihr Lächeln zeigte zehn vampirische Reißzähne. „Endlich treffen wir uns wieder, mein Sohn. Komm her zu deiner Mutter.“ Früher hätte er diesen Befehl folgen müssen. Sie war die Vampirmutter. Der Ursprung. Doch er war nun weder Vampir, noch Mensch und sie hatte damit keine Macht über ihm. „Ich sagte, komm her zu deiner Mutter.“ Keine Reaktion. „Komm her! Ich befehle es dir!“, kreischte sie. Während Richard ein reichlich dämliches Gesicht machte, regte der König keine Miene. „Wer ist dieses Wesen? Kennst du sie?“, fragte er verwirrt. Wieder nickte der König nur stumm. „Wie kannst du es wagen?! Du hast mich doch förmlich angebettelt, einer von uns zu werden. Und jetzt wendest du dich von uns ab? Wie konntest du nur. Ich dachte ich wählte den Richtigen, doch du hast mich bitter enttäuscht. Sklave!“ Ein Leib, der ihr als Fußschemel gedient hatte erhob sich. Es war der Pfarrer. Jener, der ihm fast getötet hatte. Jetzt standen sie sich wieder einmal gegenüber. Richard hielt dem König den Arm vor. „Wie soll ich je meine Schuld begleichen, wenn ich nie einen deiner Feinde töte?“ Der König trat einen Schritt zurück und gab dem ehemaligen Kreuzritter zu verstehen, dass die Bühne ihm gehörte. Der Pfarrer beachtete Richard nicht weiter und stürzte auf den König zu. Gelassen sah der ehemalige Vampir seinen Feind auf ihn zustürmen. Doch der angebliche Heilige hatte die Rechnung ohne Richard gemacht. Der Stieß ihm kaltblütig sein Schwert in den Rücken. „Hast du nicht zugehört? Ich bin dein Gegner.“, knurrte der heilige Krieger. Erst jetzt schien der Pfarrer den Kreuzritter als richtige Bedrohung einzuschätzen. Die Vampirmutter richtete sich wütend auf. „Muss man denn alles selber machen?!“, schimpfte sie. Wütend löste sie sich in Nebel auf, um sich nur innerhalb eines Herzschlages vor dem König zu befinden. Rasend vor Wut kratzte sie mit ihren Krallen nach ihm. In letzter Sekunde wich er ihr aus. Er hatte den Schlag kaum kommen sehen, hätten seine Kampfreflexe nicht rechtzeitig reagiert, wäre er tot. Immer weiter drängte sie den König zu den Klippen. Panisch schaute er runter. Dort unten war ein Meer aus kochendem Blut. Blubbernd bildeten sich Blasen. Der rötliche Schein spiegelte sich in seinem Gesicht. Die Macht seiner Schöpferin und der vor ihm drohende Abgrund hatten ihn unaufmerksam werden lassen. Die Mutter stieß ihre Hand durch seinen Brustkorb. Seltsamerweise spürte der König keine Schmerzen. Der Schock und das Adrenalin schienen sie zu verdrängen. Ruckartig zog sie ihre Hand aus seinem Brustkorb. Der König taumelte gen Abgrund. Sein Blick schweifte nach oben zum brennenden Himmel. Dass Richard den Pfarrer erlöst hatte, bemerkte er nur nebenbei. Der Kreuzritter rannte keuchend auf ihn zu. Immer weiter trat der König über die Kante. Er hatte verloren. Wirklich verloren. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal verloren hatte. Mit weitausgebreiteten Armen fiel er in den Abgrund aus brodelndem Blut. Richard folgte ihm mit einem Hechtsprung hinterher. „Jetzt werde ich meine Schuld begleichen.“, meinte er nur. Der König bemerkte erst, was er meinte, als es schon zu spät war. Der Kreuzritter erlöste den König. Das Licht heilte seine Wunde. Er wollte sich wehren, doch ihm fehlte die Kraft dazu. Das Licht zerrte ihn nach oben. Richard drehte sich ihm in der Luft zu und winkte dem König zum Abschied. Er hörte selbst dann nicht auf, als er schon längst in Flammen stand. Der König würde ihn nie vergessen. Mit Trauer sah er, wie sein treuer Gefährte in dem Blut versank.
Seine Füße waren gehüllt in weißen Wolken. Vom Himmel schien ein grelles Licht, doch seine Haut verbrannte nicht. Durch den feinen Schleier kam eine zierliche Gestalt. War das etwa? Ja, sie war es. Seine Geliebte. „Du hast viele Gräueltaten begangen und du hast für sie gesühnt. Nun wirst du im Himmel, mit mir vereint, ewige Glückseligkeit erfahren.“ Der König machte einen etwas zerknitterten Gesichtsausdruck. „Ich kenn dich lange genug, Liebster. Der Tod des Kreuzritters quält dich, doch gräme dich nicht. Auch ihm wurde verziehen.“ Der Gesichtsausdruck des Königs hellte sich auf. Und so wurde das Liebespaar wieder vereint. Wenn ihr heute Nacht den Sternenhimmel genau beobachtet, werdet ihr die beiden am Firmament tanzen sehen. Sie sind Zeuge für die ewige- die wahre- Liebe. Die Zeit kann vergehen. Königreiche können kommen und gehen. Der Tod holt die Ähren des Lebens ein. Doch die wahre Liebe kennt kein Ende- keinen Tod. Dafür stehen die beiden Geliebten. Dafür werden sie immer und ewig stehen.

The End
Related content
Comments: 0