HOME | DD

Shotechi — Dream ~ Chapter 8

Published: 2013-02-02 17:49:49 +0000 UTC; Views: 1097; Favourites: 21; Downloads: 5
Redirect to original
Description Der Tag, an dem alle Träume wahr wurden
~ Kapitel 8 ~

Hin und wieder brauste ein Auto vorbei. Die Abendluft wurde kühl, erfrischend im Gegensatz zur Hitze des Tages. Die Bäume am Straßenrand raschelten hin und wieder mit den Blättern, wenn ein sanfter Windstoß durch ihre Zweige fuhr, ansonsten waren nicht mehr viele Menschen auf den Straßen der Kleinstadt unterwegs.
Mit einem durchdringenden Ton begannen die Kirchturmglocken zu läuten. Nana band sich ihren Pullover von der Hüfte und zog ihn schnell über, als ihr ein weiterer kühler Windzug durch Mark und Bein fuhr und sie frösteln ließ.
Sie hatte den Weg am Donauufer entlang gewählt, sie liebte diesen Ort, vor allem im Abendlicht. Es musste der friedlichste Ort der Stadt sein, mit Abstand! Nana seufzte. Noch zwei oder drei Minuten, dann wäre sie endlich daheim. Sie konnte den anstrengenden Tag in allen Gliedern spüren.
Heute hatten sie Fischers besucht, zum Kaffee trinken und Kuchen essen. Es war ein schöner Nachmittag gewesen, nach kurzem Schweigen waren auch alle aufgetaut und es hatte sich wieder die gewöhnte fröhliche Stimmung ergeben.
Allein Will tat ihr leid. Er hatte kaum gesprochen, nur so viel wie nötig, und er hatte kein einziges Mal gelächelt. Er war sonst immer so fröhlich… aber Nana konnte verstehen, was in ihm vorging. Sie wollte nicht einmal annähernd daran denken, wie es wäre, jetzt an seiner Stelle zu sein… nein, niemals. Aber Sky hatte doch gesagt, er scheine darüber hinweg zu sein? So sah er jedenfalls nicht aus. Wenn an diesem Glauben, den sie beide teilten, etwas dran war, müsste er sich doch eigentlich damit abgefunden haben, oder? Tat dieser Gott etwa nichts? Was war das für ein Gott, der so etwas zuließ und dann tatenlos zusah, wie der arme Junge sich quälte und unglücklich war? Das war sicher nicht der große, warmherzige Vater, von dem sie immer predigten.
„Nein“, sagte Nana mehr zu sich selbst „allein deswegen: Es gibt keinen Gott. Es gibt gar keinen Sinn, was hier abgeht.“
In Gedanken versunken, schlenderte sie weiter. Einige Autos brausten an ihr vorbei, eines hupte, als ein anderes ihm die Vorfahrt nahm. Nana hörte es kaum, denn wenn man nur lange genug an einer Straße vorbei läuft, verblasst der Verkehr langsam, der Schmutz wird Nebensache und man konzentriert sich ganz auf seine Gedanken.
Plötzlich hielt sie inne. Dort vorne saß eine Gestalt, zusammengekrümmt gegen einen Mülleimer gelehnt, reglos, als würde sie schlafen. Nana wollte sich schon angewidert abwenden, als sie meinte, die Person zu erkennen…
„Kain?“, raunte sie und eilte zu ihm. Er war es tatsächlich. Als Nana ihn ein zweites Mal ansprach, hob er müde den Kopf, ließ ihn aber gleich wieder fallen. Sein Blick war glasig und ziellos und er roch nach Alkohol.
„Kain, du Idiot!“, Nana packte seine Schultern und schüttelte ihn. „Was machst du für Scheiße?“ Sie schrie ihm förmlich ins Gesicht.
Der Junge wankte und kippte beinahe vornüber, dann hob er unter Anstrengung den Kopf und sah sie direkt an. „Ich hab’s ver…vermasselt“, lallte er. „Er s…spricht nich‘ mit mir. Jetz‘ is‘ zu sp…spät.“ Mit einem leisen Stöhnen kippte er nach links und übergab sich auf den Rasen neben der Mülltonne.
Angeekelt und aufgebracht wandte Nana sich ab, sie überlegte fieberhaft, was sie jetzt tun sollte… Aber wirklich - jetzt gab alles einen Sinn. Kain war am Nachmittag nicht da gewesen, er hatte auch so kaum mehr gesprochen und sich immer mehr zurückgezogen… Er gab sich immer noch die Schuld, und damit konnte er nicht leben. Einerseits rührte es sie, dass er so viel Gefühl und Verantwortung für seinen Bruder zeigte, aber andererseits… hatte sie Angst. Sie wollte ihm helfen, aber sie wusste nicht, wie sie das schaffen sollte.
Zuallererst einmal konnte sie ihn nicht so sitzen lassen. Mit den Worten „Komm, ich bring dich zu mir nach Hause…“ packte sie ihn unter den Achseln und wollte ihm aufhelfen. Doch ein 16-jähriger ist schwerer als man vermutet, also musste sie bald aufgeben, als keine Reaktion von ihm kam.
„Hilf mit, verdammt, oder ich schmeiß dich in die Donau!“, platzte Nana entrüstet heraus und packte ihn am Arm. Mehr schlecht als recht schaffte sie es schließlich, ihn zum Aufstehen zu bewegen. Er schwankte und musste sich auf sie stützen, doch dann lief er artig die Straße entlang, in Richtung des Hauses von Nanas Familie.
Sie spürte seinen Atem an ihrer Wange und roch den Alkohol darin. Es ekelte sie an und gab ihr ein eigenartiges Gefühl von Abscheu, gemischt mit… Mitleid und Hilflosigkeit. Doch da war noch etwas.
Erschöpft erreichten sie schließlich die Haustür, und Nana musste Kain für einen Moment sich selbst überlassen, um den Schlüssel aus der Hosentasche zu kramen und die Tür aufzuschließen. Als auch diese Hürde überwunden war, bugsierte sie den Jungen in die Küche und schob ihn auf einen Stuhl.
Kain sah völlig fertig aus, er lag mit dem Oberkörper auf dem Tisch und ließ den Kopf auf den Unterarmen ruhen, hin und wieder stöhnte er leise.
In dem Moment war Nana froh, dass ihre Eltern für ein paar Tage nicht da waren, was ihr Vater bei diesem Anblick gesagt oder vielmehr getan hätte, wollte sie gar nicht erst wissen.

Mit zitternden Händen füllte sie ein Glas Wasser und schob es ihm hin, er hob sogar den Kopf und trank es in kleinen Schlucken aus.
„Wo… wo ist das Bad?“, stammelte er und sah sie aus glasigen Augen an. Nana sah weg. „Im Flur die erste Tür rechts, direkt neben der Haustür.“
Kain erhob sich schwankend und ging hinaus. Als er zurückkam, sah er etwas frischer aus, er hatte sich wohl einen Schwung Wasser ins Gesicht geklatscht. Trotzdem sah er geschafft aus, zerzaust und todunglücklich. Auf einmal musste Nana gegen den Drang ankämpfen, zu ihm zu rennen, ihn zu umarmen und zu trösten.
Er ließ sich auf die kleine Bank fallen, die in einer Ecke der Küche stand, und stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab.
„Ähm…“, begann er leise, „mein Kopf brummt.“ Dann vergrub er das Gesicht in den Händen.
Lange hörte man nichts, dann, auf einmal, begann er zu schluchzen. Seine Schultern bebten, bald zitterte sein ganzer Körper. Er weinte lautlos, ein unterdrücktes, hilfloses Weinen.
Nana konnte nicht mehr an sich halten. Wenn sie etwas zu tun hatte, dann war es das. Da sein. Verstehen. Trösten. Helfen. Sie stand auf und nahm neben Kain wieder Platz, dann legte sie beide Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Beide weinten, weinten und weinten, bis sie keine Tränen mehr hatten, dann verließen Kain vollends alle Kräfte, er sackte gegen Nana und ließ sich nur noch widerstandslos von ihr festhalten.
Sie begriff, wie verzweifelt er war. Sie hatte ihn noch nie offen Gefühle zeigen sehen, erst recht hatte sie ihn noch nie weinen sehen. Und doch sah sie nun, wie viel verletzlicher er wirklich war. Wie ein schutzloses Rehkitz sich an seine Mutter schmiegt, so hatte sich nun auch Kain in Nanas Armen eingerollt.
Die beiden verharrten eine lange Zeit so. Das einzige, was sie hörten, war ihr eigenes Atmen und das leise Ticken der Uhr.
Schließlich brachte Kain die Kraft auf, den Kopf zu drehen und Nana in die Augen zu sehen. „Ich… ich hab dir zu danken…“, stammelte er flüsternd und hob die Augenbrauen ein Stück.
Sie wollte etwas erwidern, doch schon im nächsten Moment fühlte sie seine Lippen auf ihren, verstummt und verschlossen durch einen innigen, leidenschaftlichen Kuss. Sie wollte protestieren und ihn wegschieben, doch ihre Arme gehorchten ihr nicht. Er sehnte sich so nach Zärtlichkeit, nach Akzeptanz und Nähe… Nana wusste, ihr ging es ähnlich. So verlor sie sich Stück für Stück in ihm, ließ sich wieder und wieder küssen, bis sich ihr Verstand daran machte, sich auszuschalten.
Irgendwann schob sie ihn sanft von sich, trennte sich widerstrebend von ihm und sagte leise:
„Hör auf. Du bist betrunken.“
„Ich…“, fing er an und starrte ihr in die Augen. Dann sah er weg und starrte an die gegenüberliegende Wand. „Ich bin müde.“
Als er keine Anstalten machte, erhob sich Nana, sah sich etwas ziellos um, dann zog sie ihn am Arm hoch. „Du kannst meinetwegen heute bei uns übernachten.“
Ohne Einwände ließ er sich die Treppe hinaufführen, nahm bereitwillig das alte T-Shirt von Nanas großem Bruder Arne, der zum Glück auch außer Haus war, und zog es sich über.
Nana spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, als sie seinen nackten Oberkörper sah, doch sie schalt sich selbst und zwang sich, wegzusehen. In diesem Moment klopfte es an ihrer Zimmertür. Wie ein ertappter Verbrecher fuhr sie hochrot herum und sah ihre kleine Schwester Emmy direkt an.
„Nana, hast du vielleicht…“, sie stockte, denn sie hatte Kain bemerkt, der wie eine Pappel im Wind dastand und schwankte. „Was macht Kain bei uns?“, fragte sie verwirrt.
„Ach, es ist spät, Emmy, geh lieber ins Bett.“ Nana war knallrot geworden, jetzt versuchte sie, ihre Schwester schnell abzuwimmeln. Es gefiel ihr nicht, dass Emmy Kain so sah, schlimm genug, dass sie selbst es getan hatte… Ihre kleine Schwester hatte wohl verstanden, denn sie verschwand und schloss die Tür hinter sich.
Dankbar wandte sie sich wieder dem Jungen zu, um ihn zum Gästebett zu führen, als man es durch den Flur schallen hörte:
„Kain und Nanett, sitzen auf ’nem Baum, knutschen rum, man glaubt es kaum!“

vorheriges Kapitel | ~Kapitel 8~ | nächstes Kapitel

Characters featured:
Nana Hartmann , a girl who thinks that she has to solve everything
Kain Fischer, Will's brother

~~~~~~~~~~~~~

Atmospheric pictures with unusual colors... my new passion ^^
The picture for chapter 8 is finally finished! And a little bit of romance is in the air...

Art, written art (c) by me, no ref used (except for the location, which is a real place at my town xD)
Related content
Comments: 17

Owllover96 [2013-02-22 10:24:54 +0000 UTC]

wundervolle stimmung <3 *-*

👍: 0 ⏩: 0

SunshineElite [2013-02-04 09:46:24 +0000 UTC]

ach shotechi...du solltest echt Bücher schreiben *-*

👍: 0 ⏩: 1

Shotechi In reply to SunshineElite [2013-02-04 15:08:01 +0000 UTC]

Aaaw, danke dir!
Irgendwann will ich echt mal eins schreiben ^^

👍: 0 ⏩: 1

SunshineElite In reply to Shotechi [2013-02-04 16:12:39 +0000 UTC]

DAS werde ich dann bestimmt kaufen :'D

👍: 0 ⏩: 1

Shotechi In reply to SunshineElite [2013-02-05 14:49:17 +0000 UTC]

aww (:

👍: 0 ⏩: 0

Chaos-Prinzessin [2013-02-04 09:28:33 +0000 UTC]

Ich hab eben das Bild gesehen und wusste gleich, welches Kapitel das ist. Passt echt gut dazu (:

👍: 0 ⏩: 1

Shotechi In reply to Chaos-Prinzessin [2013-02-04 15:07:44 +0000 UTC]

Thaha Das war auch eins der wenigen Bilder, was ich von Anfang an im Kopf hatte.

👍: 0 ⏩: 1

Chaos-Prinzessin In reply to Shotechi [2013-02-05 20:30:08 +0000 UTC]

Das erklärts.
Es passt echt genial dazu (;

👍: 0 ⏩: 0

LilithHatchersoon [2013-02-02 21:20:27 +0000 UTC]

~~

👍: 0 ⏩: 1

Shotechi In reply to LilithHatchersoon [2013-02-04 15:07:27 +0000 UTC]

👍: 0 ⏩: 0

Denise262 [2013-02-02 19:07:37 +0000 UTC]

Da wird wohl jemand der kleinen Schwester etwas erklären müssen. ^^
Mal wieder ein tolles Kapitel.

👍: 0 ⏩: 1

Shotechi In reply to Denise262 [2013-02-02 20:40:57 +0000 UTC]

Ich glaub auch... xD
Danke dir!

👍: 0 ⏩: 0

Forgotten-Trident [2013-02-02 18:01:12 +0000 UTC]

So ein schönes Bild, die Farben sind toll! Und die Geschichte auch.. aww :3 Freu mich schon auf das nächste Kapitel ^^

👍: 0 ⏩: 1

Shotechi In reply to Forgotten-Trident [2013-02-02 18:10:03 +0000 UTC]

Danke dir! Irgendwie bin ich grad auf so nem Farben-Trip xD

👍: 0 ⏩: 0

zephuko [2013-02-02 17:57:47 +0000 UTC]

yeeeahj :3 esissoschön ich mag's so total ^-^

👍: 0 ⏩: 1

Shotechi In reply to zephuko [2013-02-02 17:59:18 +0000 UTC]

Dankeeeschön
ich mag das Kapi iwie ;D I ship them sooo hard x'D

👍: 0 ⏩: 1

zephuko In reply to Shotechi [2013-02-02 18:40:29 +0000 UTC]

jo :3 tolles Kapi ;DD

👍: 0 ⏩: 0